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                                    Die Sch%u00f6pfung, wissen wir, hat es so vorgesehen, und wir reden uns bis auf den heutigen Tag ein, dass es nicht zu widerlegen sein wird.Der K%u00fcnstler beugt sich dieser Auslegung. Er deutet sie allerdings nicht aus und beabsichtigt auch keineswegs,daraus einen vordergr%u00fcndig umweltsch%u00fctzerischen Zusammenhang zu konstruieren oder, zumindest, eineallf%u00e4llige Warnung vor selbst verursachten Naturkatastrophen anzubringen. Er zeigt unsere wunderbareErde im Bl%u00fchen und in Aufruhr, mit Fr%u00fcchten %u00fcberladen und im Zorn. Sie braucht ihre Ausbr%u00fcche undverwahrt, im Kern verborgen, die zerst%u00f6rende Glut. Sie ist nicht f%u00fcr unser Wohlergehen verantwortlichund nicht f%u00fcr das schmelzende Polareis. Sie dreht sich und kreist nach ihrem Gesetz, und nichts von dem,was uns bewegt, wirft sie aus der Bahn.Kirchner, in einem Banater Dorf am Ufer der ungeb%u00e4ndigten Marosch aufgewachsen, ist diese Unmittelbarkeit gel%u00e4ufig, und es mag diese erlebte magische N%u00e4he sein, die eine Schl%u00fcsselfunktion in seinem k%u00fcnstlerischen Werk aus%u00fcbt, das sich nicht belehrend %u00fcbernimmt. Denn unser Platz in der Welt ist zunehmendfraglicher geworden, seitdem wir drauf und dran sind, uns die Erde nach dem Bibelwort tats%u00e4chlich untertan zu machen. Das Problem sind dabei ausschlie%u00dflich wir selbst, denn die %u201eanderen%u201c, auf die wir entlastend hinweisen k%u00f6nnten, gibt es nicht. Hier mag der Schnittpunkt in Kirchners bildnerischem Werk zu suchen sein. %u00d6le, Aquarelle, Holzschnitte, Stiche und Zeichnungen k%u00f6nnen diesem Grundgedanken zugeordnet werden. Er will entschl%u00fcsseln und dabei nicht die Augen verschlie%u00dfen vor dem, was wir nicht sehenwollen. Er war nie ein Auftragsk%u00fcnstler, und so blieb seine Kunst weitgehend singul%u00e4r. Das differenziertund verlagert auch schon mal den Blickpunkt. Ernst J%u00fcnger und seine hundert Jahre Welterfahrung sindihm heute vordringlicher als die historische donauschw%u00e4bische Leitfigur Adam M%u00fcller-Guttenbrunn. %u201eSol,che gro%u00dfen Frager%u201c, bekennt Kirchner, %u201esind wichtig, auch wenn sie Behauptungen aufstellen, die sich ineinigen Jahren schon nicht mehr als g%u00fcltig erweisen.Ich muss diese Fragen nicht bejahen. Sie m%u00fcssen aber gestellt werden. Was du heute denkst, ist morgenschon nicht mehr g%u00fcltig%u201c, erf%u00e4hrt Kirchner und verweist auf Hysterie und Manipulationen auch in derKunstszene. Sein Verh%u00e4ltnis zur Selektion des Marktes wird zunehmend abweisender. %u201eWenn mich einThema besch%u00e4ftigt, frage ich nicht, ob es zu ver%u00e4u%u00dfern sein wird.%u201c Er wei%u00df, dass Anerkennung auch zuhemmen vermag, wenn diese jeweils das best%u00e4tigt, was sich f%u00fcr den Tag g%u00fcnstig etikettieren l%u00e4sst. Das maglegitim sein %u2013 freier macht es die Kunst nicht.Kirchner wurde mehrfach mit Preisen geehrt. Er stellte in Italien und Frankreich aus, in Bukarest, Rigaund anderen Metropolen. Arbeiten von ihm sind, neben Deutschland und %u00d6sterreich, in den USA, in Spanien und Rum%u00e4nien verbreitet. Das ehrt und darf als g%u00e4ngiges Kriterium zur Bewertung des k%u00fcnstlerischen Werks angef%u00fchrt sein. Nicht selten aber wird dabei nur eine fl%u00fcchtig aufgegriffene Sequenz in denVordergrund ger%u00fcckt. Kirchners Gesamtwerk aber kennzeichnet nicht nur eine thematische Verlagerungvom Heimatlichen ins Universelle, sondern ebenso eine ungew%u00f6hnliche gestalterische Vielseitigkeit alsBildhauer, Maler und Grafiker. Sein Gesamtwerk ist %u00fcberw%u00f6lbt von einer vision%u00e4ren Sicht auf die Gegen,l%u00e4ufigkeit der Ereignisse und selbst der Dinge an sich. Was in seinen gesellschaftskritischen Kompositionen unvermittelt aufbricht, findet in den Landschaften seinen emotionalen Widerhall. Eruptive Farbstr%u00f6me%u00fcberwuchern elementar die Bildfl%u00e4che %u00fcber die Konturen hinaus. %u201eDem Wesentlichen einer Landschaftkomme ich n%u00e4her, wenn ich reduziere%u201c, vermerkt Kirchner. Denn die Kunst muss nicht erkl%u00e4rt werden,%u201esie interpretiert sich selbst%u201c. Er %u00fcberzeichnet bewusst und inszeniert %u2013 Haydns Paukenschlag anverwandt%u2013 gegen den gepflegten %u00dcberdruss. Es ist ja nicht die Botschaft, die ausgesch%u00f6pft w%u00e4re %u2013 wir, so sieht esder K%u00fcnstler, sind f%u00fcr eine solche nicht genug empf%u00e4nglich.
                                
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