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Das Gl%u00fcck hat viele Facetten und viele Fallen. Es ist auslegbar und somit weniger konkret, und es mag inder Zuweisung so gerecht nicht sein. Es ist nicht vorr%u00e4tig. Ist es teilbar?Fragen kommen auf und bleiben. Zeigt Kirchners Kunst den Aufstand gegen Raffsucht und Geltungstrieb? Gegen den Profit als Maxime? Den Aufstand gegen sich selbst? Er enttarnt in seinen gesellschaftskritischen Bildern nicht den h%u00e4sslichen Nachbarn, sondern den Mitmenschen in seiner Not und in seinerAnf%u00e4lligkeit f%u00fcr den kleinen Nutzen. Das Sch%u00e4bige in uns, den pervertierten Geltungswillen, der uns seitder Vertreibung aus dem Paradies anhaftet. Er ist nicht auf Botschaften aus. Er registriert, was er siehtnicht als Au%u00dfenstehender, denn die Anderen, das sind wir selbst.H%u00e4tte somit, global besehen, die ebenso m%u00fchsame wie schmerzhafte Aufgabe der Banater Heimat die Probleme nur verlagert, aber nicht entsch%u00e4rft? Sind diese, unterschiedlich markiert, begleitende Aspekte geblieben, die unseren neuen Wohlstand mit benoten? Alles wird zur Gewissensfrage, die zu handeln auffordert und sogar verpflichtet, die Kunst zus%u00e4tzlich streitbar macht und vision%u00e4r. Das mag so neu nicht sein,aber vielleicht so n%u00f6tig wie nie zuvor. Kirchner mahnt diese Aktualit%u00e4t des Zeitpunkts an in einer Vielzahlbe%u00e4ngstigender Kompositionen. Mitten in Deutschland, am Fu%u00dfe des Schwarzwalds und in einer Stadt, diesich aus den Tr%u00fcmmern des letzten Krieges mit einer neuen Zuversicht wieder erhoben hat. KritischeEinsicht und elementare Zw%u00e4nge bestimmen das neue Zeitbild, Anpassung und noch immer auch Bodenhaftung. Sie mag in Pforzheim einer gewissen Spr%u00f6digkeit nicht entbehren und z%u00f6gerlich sein %u2013 nicht aberortsfremd.F%u00fcr Kirchner ist die neue Heimat Pforzheim nicht das ausgekl%u00fcgelte Ergebnis vorausgehender %u00dcberlegungen und Erwartungen. Seine Entscheidung war diktiert von der Not, nicht mehr sein zu d%u00fcrfen, was ersein wollte: ein freier Mensch in einer freien Gemeinschaft. Sein Ziel war nicht ein anderer Ort, sonderneine andere Welt. Nicht ein anderes Programm, sondern kein Programm.Nicht die Einigelung in eine Pforzheimer H%u00e4uslichkeit, sondern die Schrankenlosigkeit des Kontinents.Sein Sprung ins R%u00f6mische war nicht ein Ferienziel, sondern das bewusste Einklinken in eine kunsthistorische Zugeh%u00f6rigkeit, die eine N%u00e4he zum klassischen Ebenma%u00df nicht scheut. Er ist traditionell und experimentell zugleich, einer der wagt und Kurs h%u00e4lt ohne vorgegebene Zielgerade. %u201eEr sucht und findet%u201c %u2013 socharakterisiert Dr. Walther Konschitzky den K%u00fcnstlerfreund und Banater Landsmann.Kirchner begreift sich und seine Kunst in diesem universellen Sinn, der unseren Blick auf die Sch%u00f6pfungzur%u00fcckversetzt in ihre Urspr%u00fcnglichkeit. Er ist Mahner und Streiter, ein Bekennender auch, dem die Wunden %u201edie sich %u00fcberall ausbluten%u201c weder verborgen bleiben noch gleichg%u00fcltig sind. Er ist pr%u00e4sent aus gutemGrund.